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„Wenn es um die Digitalisierung geht, haben wir in der Vergangenheit alle gepennt“, sagte Andreas Engelhardt bei einer Betriebsbesichtigung der Uhl GmbH & Co. Stahl und Metallbau KG in Würzburg. Grund genug, um uns in einem Gespräch mit dem persönlich haftendenden Gesellschafter der Bielefelder Schüco International KG über die Zukunft im Metallbau zu unterhalten.

 

Stefan Elgaß: Herr Engelhardt, wenn es um die Digitalisierung geht, haben wir in der Vergangenheit alle gepennt. Worauf beziehen Sie diese Aussage und welche Lösungswege schlagen Sie vor, um das zu ändern?

Andreas Engelhardt: In der Baubranche haben wir ein deutlich geringeres Produktivitätswachstum im Vergleich zu anderen Branchen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Eine Antwort darauf ist die Digitalisierung der Branche mit dem Ziel, alle Prozesse der Wertschöpfungskette miteinander zu vernetzen – vom Entwurf und von der Planung eines Bauvorhabens über die Fertigung, Montage, Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling. Dafür folgt Schüco seiner digitalen Roadmap. Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Umsetzung des digitalen Wandels ist auch die Qualifizierung der Mitarbeiter. Hier müssen wir in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften investieren. Schüco unterstützt dafür unter anderem die Stiftungsprofessur „Digitales Bauen“ der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold.

 

Stefan Elgaß: Hat Schüco die Digitalisierung auch „verpennt“? Ich war der Meinung, Ihr Haus habe bei den technischen Entwicklungen im Fenster- und Fassadenbereich immer eine Führungsrolle eingenommen. Schließlich ist auch das Thema BIM schon mehr als zehn Jahre bekannt…

Andreas Engelhardt: Das Thema Digitalisierung hat bei uns höchste Priorität. Unser Ziel ist es, Architekten, Fachplaner und Verarbeiter mit perfekt aufeinander und auf Ihre Bedürfnisse abgestimmten Lösungen aus Software, Hardware, Services und Daten zu unterstützen. Das sorgt für mehr Effizienz, Qualität und Leistung im (digitalen) Bauprozess – und langfristig zu einer Produktivitätssteigerung. Den Anfang haben wir bereits vor über 40 Jahren gemacht, indem wir unsere Verarbeiter beispielsweise mit digitalen Softwarelösungen wie SchüCal und SchüCad unterstützt haben. Mit den nun neu aufgestellten Bereichen Schüco Digital und Schüco Fabrication sowie mit Plan.One haben wir die weitere Digitalisierung der Wertschöpfungskette im Bauwesen im Fokus – und werden unsere digitale Roadmap konsequent weiter umsetzen.

 

Stefan Elgaß: Großkonzerne wie Google, Microsoft oder auch Amazon forschen längst am Thema „Digitales Bauen“. Sie haben das Ziel die Baubranche völlig zu verändern. Wie schätzen Sie die Chancen für eine solche Entwicklung ein?

Andreas Engelhardt: Was gestern noch Stoff für Science-Fiction war, ist heute Realität und wird morgen aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken sein. Die Digitalisierung der Baubranche hat das Potenzial, den Bauprozess zu revolutionieren: vorproduzierte 3D-Druck Bauteile, ganze Häuser, die aus dem Drucker kommen, geschlossene, digitale Prozessketten, eine Mensch-Maschine-Interaktion auf der Baustelle bis hin zu Augmented Reality, der computergestützten Erweiterung unserer Wahrnehmung. Wenn die Baubranche über alle Baubeteiligte hinweg zusammenarbeitet, schaffen wir ein weitreichendes, vernetztes, innovatives Arbeiten – und Leben.

 

Stefan Elgaß: Mit der frei gestaltbaren Fassade Parametric System haben Sie dem Markt – zur BAU 2013 noch als Konzeptstudie und zur BAU 2015 in Systemreife – eine dreidimensionale Gebäudehülle präsentiert. Wann war bei der Entwicklung klar, dass sich dieses System nur digital planen, konstruieren und fertigen lässt?

Andreas Engelhardt: Unser Ziel bei der Entwicklung des Parametrischen Fassadensystems war von vornherein klar: Wir wollten eine Freiformfassade als System entwickeln, die eine große individuelle Gestaltungsfreiheit bei hoher Planungs- und Kostensicherheit bietet sowie rationeller Fertigung und Montage. Ein durchgängig abgestimmter Prozess sollte ein Höchstmaß an Effizienz, qualitativer Wertigkeit und Flexibilität bieten. Das ist uns gelungen – mit einer durchgehenden, softwaregestützten digitalen 3D-Prozesskette über die gesamte Wertschöpfungskette.

 

Stefan Elgaß: Schüco pflegt ein sehr enges Verhältnis zu seinen Verarbeitern. Wie schätzen Sie die digitale Kompetenz in den Betrieben ein? Können die Verarbeiter bei der digitalen Entwicklung überhaupt noch Schritt halten?

Andreas Engelhardt: Vernetztes Arbeiten, ob im Büro, in der Werkstatt oder auf der Baustelle, hat für den Verarbeiter, ihre Auftraggeber oder Kooperationspartner längst begonnen. Softwarelösungen wie SchüCal und SchüCad zur Kalkulation, Planung und Arbeitsvorbereitung sind heutzutage in vielen Partnerbetrieben Standard und werden täglich von tausenden Anwendern weltweit genutzt. In der Fertigung ersetzt das Schüco Fabrication Data Center – eine komplett vorinstallierte Einheit aus Rechner, Touch-Bildschirm, Barcode-Scanner und 3D-Halterung - zunehmend das Arbeiten mit Print-Konstruktionszeichnungen und -Katalogen. Maschinen werden digital angesteuert und mobile Anwendungen erleichtern das Handling auf der Baustelle. Der digitale Wandel in der Baubranche ist in vollem Gange. Das ist jedoch für viele Verarbeiter oftmals eine große Herausforderung – insbesondere für kleinere bis mittlere Unternehmen. Eine gezielte Aus- und Weiterbildung im Bereich Digitalisierung kann dabei unterstützen.

 

Stefan Elgaß: Rechnen Sie damit, dass sich – speziell im Fassadenbau – künftig nur Unternehmen behaupten werden, die heute schon fit sind in Sachen Digitalisierung?

Andreas Engelhardt: In der Digitalisierung liegt die Zukunft des Bauens. Ob sich – speziell im Fassadenbau – nur die Unternehmen behaupten werden, die heute schon fit sind in Sachen Digitalisierung, kann ich nicht beurteilen. Jeder Unternehmer muss sich sicherlich die Frage stellen, wie er die Vorteile der Digitalisierung bestmöglich für den eigenen wirtschaftlichen Erfolg nutzen kann. Ich bin der Überzeugung: Es ist nie zu spät, den digitalen Wandel im eigenen Unternehmen aktiv anzugehen. Wer aktiv mitgestaltet, sich einbringt, aus- und weiterbildet – insbesondere im Bereich Digitalisierung – für neue Technologien und neue Wege des Arbeitens offen ist, kann seine eigene Zukunft selbst gestalten.

 

Stefan Elgaß: Wie schätzen Sie bei der Digitalisierung die Stärken der ausländischen Metallbauer ein? Sitzt die Konkurrenz vor allem in den europäischen Nachbarländern, oder müssen unsere Unternehmen auch global mit Gegenwind rechnen?

Andreas Engelhardt: Es gibt weltweit hervorragende Metallbauprojekte, bei denen digitale Lösungen einzelne Prozessschritte beeindruckend unterstützen. Im europäischen und internationalen Umfeld sind jedoch heterogene Unterschiede – auch regional – zu beobachten. Hier spielen Faktoren wie die regionale Infrastruktur, die Affinität für Digitalisierung, die Qualifikation und Verfügbarkeit von Personal sowie die Verfügbarkeit von Softwarelösungen eine wichtige Rolle. Eine vollständige Vernetzung der Informations- und Automatisierungslösungen über die gesamte Wertschöpfungskette der Bauprojekte hinweg gibt es bisher noch nicht. Wem es zuerst gelingt, die jeweiligen Herausforderungen zu meistern, wird seine globale Wettbewerbsposition behaupten können.

 

Stefan Elgaß: Eine Voraussetzung, um die Herausforderungen der Digitalisierung in den Griff zu bekommen, sind gut ausgebildete Mitarbeiter. Sie sind maßgeblich daran beteiligt, das Berufsfeld „Digitaler Metallbauer“ ins Leben zu rufen. Was hat es damit auf sich?

Andreas Engelhardt: Schüco hat gemeinsam mit der IHK-Akademie Ostwestfalen und „Digital in NRW – das Kompetenzzentrum für den Mittelstand in NRW“, den bundesweit ersten IHK-Zertifikatslehrgang zur Digitalisierung im Metallbau initiiert. Ziel des Zertifikatslehrganges ist es, ein grundlegendes Verständnis für das Thema Industrie 4.0 und das Prinzip der digitalen Vernetzung aufzubauen. Er richtet sich an Betriebs- und Produktionsleiter, Angestellte mit Schnittstellenfunktion sowie Facharbeiter aus kleinen und mittleren Metallbauunternehmen. Nach einer erfolgreichen Pilotphase in Ostwestfalen soll der Zertifikatslehrgang auch bundesweit angeboten werden.

 

Stefan Elgaß: Der erste Lehrgang ist im Juni zu Ende gegangen. Wie viele Teilnehmer gab es, und welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Wie werden Sie das Thema „Digitaler Metallbauer“ weiterführen? Denken Sie, die Initiative kann sich als Vorbild bundesweit durchsetzen?

Andreas Engelhardt: Den ersten Zertifikatslehrgang haben am 12. Juli diesen Jahres vier Teilnehmer aus drei unterschiedlichen Unternehmen erfolgreich abgeschlossen. Diese Gruppengröße hat es ermöglicht, individuell auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen und das Thema Digitalisierung umfassend und ganzheitlich zu besprechen.

Die Resonanz der Teilnehmenden war sehr positiv. Das bestärkt uns darin, das Ausbildungsangebot auszuweiten – zumal bereits weitere Metallbaubetriebe Interesse angemeldet haben. Aktuell bereiten wir den zweiten Durchlauf in Bielefeld vor. Gleichzeitig wollen wir das Schulungsangebot auch bundesweit ausrollen. Dafür sind wir in Vorbereitungen und Gesprächen.

Im Fokus des ersten Lehrgangs standen Inhalte für das grundlegende Verständnis über Daten, Prozesse und die Vernetzung sowie Soft skills. Besonders erfolgreich waren die praxisorientierten Module: Die Teilnehmenden haben unter anderem mit der Building Information Modeling (BIM)-Methode gearbeitet, die in Zukunft Standard in der Baubranche sein wird. An einem Praxistag in unserem Unternehmen lernten die Teilnehmenden Schüco Lösungen kennen, mit denen sie Digitalisierungsprozesse bewerkstelligen können – beispielsweise die Augmented Reality-Anwendung zur Fertigung einer Brandschutztür. Das hat die Teilnehmenden sehr begeistert, da das Medium die handwerkliche Praxis unterstützt.

Für eine erfolgreiche Teilnahme am Lehrgang und zur Erlangung eines Zertifikats mussten die Teilnehmenden darüber hinaus ein eigenes „Digitalprojekt“ in ihrem Betrieb durchführen. Die in der Theorie gelernten Inhalte konnten so direkt in die Praxis umgesetzt und der Digitalisierungsprozess im eigenen Betrieb angestoßen werden. Ein intensiver Erfahrungs- und Ergebnisaustausch war dabei wichtig.

Wir sind mit diesem Aus- und Weiterbildungsangebot auf einem guten Weg, den wir konsequent weiter gehen werden.

 

Herr Engelhardt, wir bedanken uns sehr für dieses Gespräch.

 

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